MO wirkt #7: BDB e.V.

BDB e.V. ist die älteste offizielle Antidiskriminierungsorganisation in Berlin, die als Migrant*inselbstorganisation bereits 1996 die Arbeit aufnahm. Der BDB hat sich zum Ziel gesetzt, die Ausgrenzung und Diskriminierung von sog. „Minderheiten“ zu überwinden. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Arbeit gegen ethnische Diskriminierung/Rassismus (Benachteiligung wegen Herkunft, Kultur, „Hautfarbe“ und Nationalität). Dr. Melisa Salazar berichtet uns von der Wirkung des Projekts “Diaspora Mittendrin” des BDB.

Q Ihr seid im Bereich Rassismus und Diskriminierung breit aufgestellt und habt 20 Jahre Erfahrungen hinter Euch. Nun werdet Ihr ab diesem Jahr mit dem Projekt „Diaspora Mittendrin“ im Rahmen des Partizipations- und Integrationsprogramm gefördert. Was macht Ihr mit dem Projekt?

A Unsere Arbeit verläuft auf drei Ebenen: Beratungen und Begleitungen im Diskriminierungsfall, Workshops und politische Aktivitäten. Bei Diaspora Mittendrin handelt sich um ein explizit aufsuchendes Projekt für Menschen aus afrikanischen Communities, weil diese Bevölkerungsgruppe generell eher selten offizielle Beratungsangebote wahrnimmt. Wir selbst suchen aktiv den Kontakt zu afrikanischen Organisationen, Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen, um mit ihnen über Diskriminierung und insbesondere Anti-Schwarzen Rassismus und Afrophobie zu sprechen. Neben Straßenaktionen und Standarbeit an öffentlichen Orten und bei Events suchen wir den Dialog mit ihnen über Workshops oder bei ihren eigenen Community-Treffen. Die Beratung findet auch mobil statt, d. h. nach Wunsch auch an anderen Orten. Durch den aufsuchenden und mobilen Ansatz haben wir mehr Kontaktmöglichkeiten und schaffen mehr Vertrauen.

Wir arbeiten dabei nach dem Peer-to-Peer-Ansatz. Unserer Erfahrung nach fällt es gerade in Bezug auf Anti-Schwarzen Rassismus oft Ratsuchenden leichter, mit Berater*innen zu reden, die selbst Rassismus erfahren haben. Es ist eine Art Vertrauensvorschuss: Die Klient*innen gehen dann auch davon aus, dass diese Berater*innen sie nicht diskriminieren werden. Dies erleichtert die Kontaktaufnahme und kann die Beratung tatsächlich erleichtern – ähnlich wie es für eine sexistisch diskriminierte Frau häufig einfacher ist, vertraulich mit einer weiblichen Person über ihre Erfahrungen zu reden. Wir bieten Beratungen auf Deutsch, Englisch und Französisch an, um mögliche Sprachhürden für Menschen aus anglophonen oder frankophonen Gegenden leichter zu überwinden.

Q Wir sprechen von der Wirkung eines Projekts, wenn es bei der Zielgruppe Veränderungen in ihren Kompetenzen, Wissen, Haltung, aber auch im Handeln eingetreten sind. Welche Wirkungen sollen mit Eurem Projekt erzielt werden?

A Es geht uns in diesem Projekt vordergründig um das Empowerment von Menschen, die Diskriminierung erfahren (haben). Mit Informationsveranstaltung und Bildungsarbeit möchten wir ihr Wissen in Bezug auf ihre Rechte erweitern und gemeinsam mit ihnen im Rahmen von Coachings und Beratungen Handlungsmöglichkeiten entwickeln, mit ihren Diskriminierungserfahrungen umzugehen. Wir bieten Begleitungen bei schwierigen Begegnungen an, um erste emotionale Hürden zu überwinden und konstruktive Umgangsweisen einzuüben. Diese können dann mit der Zeit alleine und mit mehr Handlungssicherheit ausgeführt werden. Wir wollen Räume entwickeln, in denen man lernen und sich austauschen kann. Das Ziel ist es, aus diskriminierenden Situationen mit mehr Würde herauszukommen und im besten Fall diese diskriminierenden Situationen auszuräumen. Noch ein Aspekt unserer Empowerment-Arbeit ist die Unterstützung beim Aufbau von persönlichen Empowerment-Netzwerken, die einen solidarischen Austausch und Unterstützung bieten. Diskriminierung ist keineswegs ein “sexy” Thema. Leute verbinden es mit dem “Täter-Opfer”-Gegensatz. Genauso wie sich (fast) niemand als Täter sehen will, will sich auch (fast) niemand “nur” als Opfer sehen. Deshalb ist es häufig sehr schwierig im eigenen Umfeld über diese Probleme zu reden. Das ist aber unheimlich wichtig, nicht nur, um Wohlbefinden und Selbstbewusstsein wiederzuerlangen. Es hilft auch dabei, Ideen zu entwickeln wie man Diskriminierungserfahrungen überwinden und Unterstützung im Alltag mobilisieren kann.

Wir sind eine kleine Beratungsstelle. Wir können nicht für alle da sein, zumal Diskriminierung etwas Tagtägliches ist. Ein gutes, persönliches Netzwerk ist die Basis für eine nachhaltige und alltägliche Stärkung gegenüber Diskriminierung. Gleichzeitig möchten wir Vertrauen und Handlungssicherheit gegenüber anderen Beratungsstellen, Institutionen und Communities fördern, damit Ratsuchende sie später selbstständig aufsuchen.

Aber auch Empowermentarbeit hilft nur begrenzt bei der Überwindung von Diskriminierungssituationen, in denen Menschen sich befinden. Aufgrund ihrer strukturellen Macht tragen auch Institutionen mit ihren Rahmenbedingungen für diskriminierende Situationen und in Organisationen verantwortlich tätige Menschen viel dazu bei, diskriminierende Situationen zu verstärken oder zu überwinden. Des Weiteren wird Menschen, die als Teil der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen werden, auch in Diskriminierungskontexten viel eher geglaubt und ihnen Vertrauen geschenkt. Aus diesem Grund ist Sensibilisierung im Rahmen von Beratung/Begleitung, Workshops und politischen Aktivitäten auch ein sehr wichtiges Element für die Wirksamkeit unseres Projekts.

Q Woran macht es sich bemerkbar, dass die Wirkungsziele erreicht worden sind?

A Wir sehen, dass unser Projekt Wirkung zeigt, wenn z. B. Ratsuchende, die wir anfänglich bei ihren Gesprächen mit unterschiedlichen Verwaltungsstellen, der Arbeit oder der Schule begleitet haben, dies nun alleine tun. Wir sehen es, wenn wir tatsächlich Diskriminierende dazu bewegen, sich bei den Ratsuchenden zu entschuldigen oder sogar die diskriminierenden Situationen im Rahmen der eigenen Machtmöglichkeiten zu verändern. Wir sehen es, wenn bei unseren Veranstaltungen Teilnehmende strahlend darüber reden, wie sie gerade mit  anderen Teilnehmenden Kontaktinformationen ausgetauscht haben. Aber am Häufigsten sehen wir die Wirkung unseres Projektes einfach durch die sichtbare Erleichterung bei Ratsuchenden, wenn sie merken, dass sie nicht alleine mit ihrem Problem sind, wir ihnen wirklich zuhören und ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen ernst nehmen. Die häufigste Frage ist: „Das ist doch eine Diskriminierung, oder?” Betroffene wissen, dass sie sich entwürdigt fühlen, aus bestimmten Kontexten ausgeschlossen wurden oder in ihren Handlungsmöglichkeiten blockiert werden. Aber wenn die Menschen in ihrer Umgebung das nicht wahrnehmen können oder wollen, dann ist es leicht, die eigene Wahrnehmung in Frage zu stellen, was wiederum die entwürdigende Situation nur schlimmer macht: “Vielleicht bin ich übersensibel.”, “Bin ich nur verrückt?”. Die Bestätigung der eigenen Wahrnehmung und die Unterstützung bei der Analyse und Konfrontation sind starke Werkzeuge, um das Problem und mögliche Lösungen sichtbar zu machen.

Q Wenn wir Vereine zu Themen Fundraising oder Öffentlichkeitsarbeit beraten, fragen wir immer, was das Alleinstellungsmerkmal der MO ist. Genau die Frage stelle ich Euch auch: Was macht Ihr Besonders, Einmaliges, wo es in Berlin doch einige Beratungsstellen zum Thema Rassismus gibt?

A Berlin befindet sich in einer “Luxus-Situation”. Es gibt ein breites Spektrum an Organisationen, die Menschen aus vielen Communities in ihren spezifischen Problemlagen unterstützen können. Als wir uns 1996 gegründet haben, waren wir die erste offizielle Antidiskriminierungsorganisation in Berlin – und eine der wenigen überhaupt in Deutschland – mit dem Schwerpunkt Rassismus. Dazu sind wir eine Migrant*innenselbstorganisation (MSO). Obwohl es eigentlich immer der Fall war, dass Menschen mit Migrationserfahrung Antidiskriminierungsarbeit für ihre eigene Communities gemacht haben, waren wir die erste MSO, die offiziell gesagt hat: Das machen wir für uns selber und auf der individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Ebene. Jetzt gibt es glücklicherweise viele MSO in Berlin, die im weitesten Sinne formell und informell Antidiskriminierungsarbeit machen. Und es gibt mehr als genug Arbeit für uns alle.

Unsere Alleinstellungsmerkmale sind erstens unsere langjährige Erfahrung, die wir seit 1996 im Kampf gegen Rassismus, sowohl in der Beratung/Begleitung als auch in der Sensibilisierung von Verwaltung und Sicherheitsbehörden sammeln. Zweitens ist unser Ansatz, Diskriminierung mit Empowerment und Sensibilisierung sowohl auf der individuellen, als auch auf der institutionellen und gesellschaftlichen Ebene entgegenzuwirken, ebenfalls ungewöhnlich. Drittens sind wir mit unserem aufsuchenden und mobilen Ansatz  für Beratung und Bildungsarbeit im Bereich Antidiskriminierung in Berlin einzigartig. Wir verbinden auch als einzige offizielle Antidiskriminierungsorganisation in Deutschland durch das Projekt Diaspora Mittendrin Antidiskriminierungsberatung und -begleitung für eine Zielgruppe, die sowohl als Schwarze Menschen als auch als Migrant*innen von Diskriminierung betroffen ist.

Kontakt:
BDB e.V. (Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland)
SprengelHaus
Sprengelstr. 15
13353 Berlin
Tel.: +49 (0)30 216 88 84
E-Mail: bdb-Entfernen Sie diesen Text-@bdb-germany.de
Web: www.bdb-germany.de